Die Entscheidung befasst sich mit der Frage der Zumutbarkeit einer Abordnung zu einer anderen Behörde als Erprobung auf der Grundlage von § 37a StUG. Außerdem wird zur Reichweite der Prüfungskompetenz des erkennenden Gerichts im vorläufigen Rechtsschutz Stellung genommen, wenn sich der Kläger auf die Verfassungswidrigkeit der Norm beruft, die zu einer ihn betreffenden Maßnahme (Versetzung) ermächtigt.
Orientierungssätze
1. Eine Entscheidung, mit der ein Arbeitnehmer für die Dauer von sechs Monaten mit dem Ziel der Versetzung abgeordnet wird, ist nicht mangels Begründung rechtswidrig. Es handelt sich vielmehr um die Ausübung des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts in einer besonderen Form, die nicht in der schriftlichen Weisung selbst begründet werden muss. Sie verstößt auch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.
2. Ein Gericht, das eine für die Entscheidung maßgebliche Gesetzesnorm für verfassungswidrig hält, kann nicht durch Art 100 Abs. 1 GG gehindert sein, vor der im Hauptsacheverfahren einzuholenden Entscheidung des BVerfG vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren, wenn dies im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes geboten erscheint und die Hauptsache dadurch nicht vorweggenommen wird. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn deutliche Anhaltspunkte für eine klar erkennbare Verfassungswidrigkeit der entsprechenden Norm bestehen.
3. Es ist Arbeitnehmern grundsätzlich zumutbar, einer arbeitgeberseitigen Weisung zunächst Folge zu leisten, auch wenn sie für rechtswidrig gehalten wird. Die Überprüfung der Weisung kann im Hauptsacheverfahren geltend gemacht werden, stellt aber keinen Verfügungsgrund für eine einstweilige Verfügung dar.
Die Entscheidung befasst sich mit der Frage der Zumutbarkeit einer Abordnung zu einer anderen Behörde als Erprobung auf der Grundlage von § 37a StUG. Außerdem wird zur Reichweite der Prüfungskompetenz des erkennenden Gerichts im vorläufigen Rechtsschutz Stellung genommen, wenn sich der Kläger auf die Verfassungswidrigkeit der Norm beruft, die zu einer ihn betreffenden Maßnahme (Versetzung) ermächtigt.
A. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Parteien streiten im vorläufigen Rechtsschutz um den Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem Inhalt, die beklagte Behörde des BStU zu verpflichten, den Kläger bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in dem Hauptsacheverfahren weiterhin als Verwaltungsangestellten in der Behörde zu beschäftigen. Er war bisher Mitarbeiter der Beklagten und dort als Pförtner eingesetzt und früher Objektschützer für das ehemalige MfS. Die Beklagte ordnete den Kläger für die Dauer von sechs Monaten zum BVA (Bundesverwaltungsamt) ab. Es wurde erklärt, die Abordnung erfolge mit dem Ziel der Versetzung. Eine weitergehende Begründung enthielt das Schreiben nicht. Der neue Einsatzort lag etwa 500 Meter vom bisherigen Arbeitsplatz des Klägers entfernt. Die Abordnung erfolgte auf der Grundlage des § 37a StUG, den der Gesetzgeber als eine Ergänzung des StUG im Jahre 2011 beschlossen hatte. Die Vorschrift regelt, dass die Beschäftigung ehemaliger MfS-Mitarbeiter in der Stasi-Unterlagenbehörde nicht erfolgen und die entsprechenden Mitarbeiter nach einer Zumutbarkeitsprüfung in andere Behörden versetzt werden sollten.
Der Personalrat und der Hauptpersonalrat der Beklagten hatten der ursprünglichen Abordnung von ehemaligen MfS-Mitarbeitern nicht zugestimmt, so dass die Beklagte die Einigungsstelle anrief. Diese entschied, dass der Hauptpersonalrat seine Zustimmung nicht hätte verweigern dürfen. Die Einigungsstelle regte an, von einer Abordnung abzusehen, wenn der betroffene Beschäftigte bei Beginn der Maßnahme 63 Jahre und älter sei. Der Anregung folgte die Beklagte. Der Kläger wurde danach zu der beabsichtigten Abordnung angehört und hat sich schriftlich dagegen gewandt. Die Beklagte nannte danach dem Kläger ihre Gründe für ein Festhalten an der beabsichtigten Abordnung. Der Personalrat des BVA hat der Abordnung für die Dauer von sechs Monaten mit dem Ziel der Versetzung in das Bundesverwaltungsamt zugestimmt.
Der Kläger hält § 37a StUG für verfassungswidrig. Er meint, die Versetzung sei schon aus formeller Sicht unwirksam, da es an einer Begründung fehle, es gebe auch keine dienstlichen Gründe. Ihm könne eine Versetzung nicht zugemutet werden, da er ohnehin schon durch die Diskussion über die Verwendung ehemaliger MfS-Mitarbeiter beim Stasiunterlagenbeauftragten derart gelitten habe, dass er erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen habe, die durch die Durchführung der Abordnung noch verstärkt würden. Die Beklagte hält § 37a StUG für verfassungskonform. Dem Kläger sei zumutbar, bis zur Klärung der Rechtsfragen im Hauptsacheverfahren seine Tätigkeit aufzunehmen.
Das ArbG Berlin hat den zulässigen Antrag des Klägers als unbegründet zurückgewiesen.
Der Umstand, dass die Entscheidung, den Kläger abzuordnen, in dem Schreiben selbst nicht begründet worden sei, begründe nicht die Rechtswidrigkeit der arbeitgeberseitigen Weisung. Es handele sich vielmehr um die Ausübung des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts in einer besonderen Form, die nicht in der schriftlichen Weisung selbst begründet werden muss, da hierfür die Grundsätze des Arbeitsrechtes und nicht des Verwaltungsrechtes gelten.
Eine Verfassungswidrigkeit von § 37a StUG könne im Eilverfahren nicht festgestellt werden, da deutliche Anhaltspunkte für eine evidente Verfassungswidrigkeit der Norm des § 37a StUG nicht klar erkennbar seien. Die Vorschrift sei vom Gesetzgeber beschlossen und vom Bundespräsidenten unterzeichnet worden, so dass es eingehender Prüfung bedürfe, ob eine solche, nach langer Diskussion gefundene Regelung mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Diese eingehende Überprüfung sei in Ermangelung evidenter Anhaltspunkte für eine Verfassungswidrigkeit der anzuwenden Vorschrift dem Hauptsacheverfahren zu überantworten. Eine evidente Rechtswidrigkeit könne auch nicht festgestellt werden. Vielmehr habe der Kläger im Vorfeld seine Bedenken schriftlich geäußert, der Personalrat und der Hauptpersonalrat der Beklagten hatten mit umfangreicher Begründung der Abordnung widersprochen und die Einigungsstelle habe sich mit den Argumenten intensiv beschäftigt. Auch habe der Personalrat des BVA nach Prüfung seine Zustimmung erteilt.
Die Abordnung sei auch zumutbar. Zwar liege hier keine Versetzung vor. Die Abordnung sei aber als milderes Mittel in § 37a StUG mitenthalten. Im vorliegenden Fall habe sich die Beklagte zunächst bewusst für das mildere Mittel entschieden, um zu erproben, ob eine anschließende Versetzung auch tatsächlich zumutbar sei. So habe es in der Vergangenheit durchaus schon Fälle gegeben, in denen die Abordnung zurückgenommen worden sei. Die Versetzung als solche sei also mitnichten bereits beschlossen gewesen.
Der Umstand, dass die Beklagte die von der Einigungsstelle vorgeschlagene Altersgrenze beachte, sei sachgerecht. Die Verwendung einer Stichtagsklausel mache die Regelung nicht unwirksam. Solche Klauseln seien notwendig und bewegten sich im Rahmen des Ermessens der Behörde.
Schließlich sah das Gericht auch keinen Verfügungsgrund, sondern stellte fest, es sei Arbeitnehmern grundsätzlich zuzumuten, einer arbeitgeberseitigen Weisung zunächst Folge zu leisten, auch wenn sie sie für rechtswidrig hielten. Abweichungen von diesem Grundsatz würden von der Rechtsprechung nur in bestimmten, vom Arbeitnehmer darzulegenden und glaubhaft zu machenden Ausnahmefällen angenommen, in denen der Arbeitnehmer ein gesteigertes Abwehrinteresse habe. Dies könne der Fall sein, wenn sich die Weisung etwa als offensichtlich unwirksam herausstellen sollte, sich der Arbeitnehmer erheblichen Gesundheitsgefahren aussetzen würde, die Tätigkeiten sein berufliches Ansehen irreparabel schädigten oder ihn in schwere Gewissenkonflikte bringen würden. All dieses sei hier nicht gegeben. Der Sachvortrag des Klägers in Bezug auf mögliche Repressalien am neuen Arbeitsplatz wegen seiner früheren Tätigkeit für das MfS sei zwar subjektiv nachzuvollziehen, aber unsubstantiiert und nicht glaubhaft.
Angesichts der Gesamtumstände (der grundsätzlichen Beibehaltung der Tätigkeit, keine Entgeltminderung, Entfernung zum neuen Arbeitsplatz von lediglich 500 Metern) erscheine eine Versetzung nicht so gravierend, dass der Kläger sich hiergegen schützen müsse. Es sei dem Verfügungskläger vielmehr zuzumuten, die neue Tätigkeit zunächst anzutreten und seine Rechte im Hauptverfahren zu vertreten.
Der Kläger hat Berufung beim LArbG Berlin-Brandenburg eingelegt (Az.: SaGa 1468/14).
B. Kontext der Entscheidung
Das ArbG Berlin bezieht sich in seinen Ausführungen zum Verfügungsgrund im Zusammenhang mit dem Direktionsrecht des Arbeitgebers auf die gefestigte Rechtsprechung, dass eine für rechtswidrig gehaltene Weisung, sofern sie nicht evident rechtswidrig ist, zunächst zu befolgen ist. Die eingehende Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Weisung sei dem Hauptsacheverfahren vorbehalten (so auch LArbG Frankfurt, Urt. v. 15.02.2011 – 13 SaGa 1934/10 Rn. 49; LArbG Hamm, Urt. v. 05.02.2008 – 11 SaGa 4/08; LArbG Chemnitz, Beschl. v. 26.10.2005 – 2 Sa 641/05). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz werde nur dann gemacht, wenn der Arbeitnehmer ein gesteigertes Abwehrinteresse, beispielsweise bei irreparabler Rufschädigung durch die Befolgung der Weisung, besitze (so auch LArbG Mainz v. 09.02.2011 – 7 Ta 4/11 Rn. 35; LArbG Hamm, Urt. v. 05.02.2008 – SaGa 4/08; LArbG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 12.08.2008 – 16 SaGa 1366/08). Das ArbG Berlin schließt sich in seiner hier besprochenen Entscheidung dieser wohl als herrschende Meinung zu bezeichnenden Rechtsprechung vorbehaltlos an und verneint ein gesteigertes Abwehrinteresse des Verfügungsklägers und damit auch den Verfügungsgrund und die Notwendigkeit einer Entscheidung im Eilverfahren.
Außerdem wird der Beschluss des BVerfG vom 24.06.1992 (1 BVR 1028/91) zur Vorlagepflicht im Eilverfahren in die Entscheidungsfindung einbezogen. Das ArbG Berlin machte jedoch von der ihm eingeräumten Kompetenz, vor der im Hauptsacheverfahren einzuholenden Entscheidung des BVerfG zunächst vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren, keinen Gebrauch. Es sah hierzu keine Veranlassung, da die in Rede stehende Norm des § 37a StUG nicht evident rechtswidrig schien.
C. Auswirkungen für die Praxis
Die Entscheidung des ArbG Berlin zeigt, wie schwierig es ist, den Verfügungsanspruch im vorläufigen Rechtsschutz bzw. Eilverfahren auf die Rechtswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift zu stützen. Die Instanzgerichte werden nur selten willens und in der Lage sein, eine Rechtsnorm als evident rechtswidrig zu bezeichnen. Insoweit verlangte man auch nahezu Unmögliches, denn die Prüfung der formellen und materiellen Verfassungsmäßigkeit einer Vorschrift ist kompliziert und zeitaufwendig. Zeit indes ist im Eilverfahren kaum vorhanden, so dass der Vortrag, eine entscheidungserhebliche Norm sei rechtswidrig, nur höchst selten verfangen dürfte.
Im Übrigen sollte der Sachvortrag, wie eigentlich immer, hinreichend substantiiert sein, um ihn gegenüber dem erkennenden Gericht glaubhaft zu machen. Es zieht sich wie ein roter Faden durch die Entscheidungen der Gerichte, dass vorgebrachte Gründe mangels Substantiiertheit nicht tragen. So war es auch hier. Der Verfügungskläger behauptete einfach, ihm würden Repressalien aufgrund seiner Tätigkeit als Objektschützer für das MfS zu Zeiten der DDR drohen, falls man ihn in eine andere Behörde versetzte. Belegen konnte er diese Behauptung freilich nicht, so dass er auch insoweit keinen Verfügungsanspruch glaubhaft machen konnte.
Nachdem die Abordnung zum BVA nur auf Zeit erfolgte, hätte das ArbG Berlin noch diskutieren können, ob überhaupt ein Rechtsschutzbedürfnis im Eilverfahren bestand. Die Maßnahme der Abordnung zum BVA war erkennbar nur zur Erprobung angeordnet worden. Eine Unumkehrbarkeit war nicht mit ihr verbunden, so dass ein Rechtsschutzbedürfnis im Eilverfahren eigentlich gar nicht bestand. Hier legte das ArbG Berlin keinen sonderlich hohen Maßstab an. Dies geschah wahrscheinlich vor dem Hintergrund, überhaupt erst in die Sachprüfung gelangen zu wollen, um dort detailliert dazulegen, warum vorläufiger Rechtsschutz nicht gewährt werden könne.