burgmer arbeitsrecht

Rechtswegzuständigkeit für Klagen von Handelsvertretern

Ein Rechtsbeitrag von Rechtsanwalt und Fachanwalt Christoph J. Burgmer

Anmerkung zum Beschluss des LArbG Frankfurt vom 06.11.2013, 12 Ta 252/13 von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Christoph J. Burgmer und Rechtsanwalt Rüdiger Soltyszeck, LL.M.

Ein sowohl das Arbeitsrecht als auch das Handelsrecht betreffendes Thema ist die Unterscheidung zwischen Arbeitnehmer und Handelsvertreter. Die Abgrenzung wird insbesondere dann relevant, wenn es um die Frage des einzuschlagenden Rechtswegs geht. Grundsätzlich müssen Handelsvertreter vor den ordentlichen Gerichten klagen und verklagt werden. Für Verfahren von oder gegen Arbeitnehmer i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG gilt hingegen die Sonderzuständigkeit der Arbeitsgerichte gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a ArbGG. Diese arbeitsgerichtliche Sonderzuständigkeit gilt gemäß § 5 Abs. 3 ArbGG auch für solche Handelsvertreter, die als Einfirmenvertreter handeln und nicht mehr als 1.000 Euro monatlich an Vergütung einschließlich Provision und Aufwendungsersatz bezogen haben. Das LArbG Frankfurt setzte sich vor diesem Hintergrund mit der grundsätzlichen Frage auseinander, ob der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten auch für solche Handelsvertreter eröffnet sein kann, die zwar keine Arbeitnehmer gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG und auch keine Einfirmenvertreter gemäß § 5 Abs. 3 ArbGG sind, sondern sich allein auf ihre Eigenschaft als arbeitnehmerähnliche Personen gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG berufen.
Leitsatz
Liegen im Falle eines freien Handelsvertreters die Voraussetzungen der § 5 Abs. 3 ArbGG, § 92a HGB nicht vor, ist die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gegeben.
§ 5 Abs. 3 ArbGG enthält eine für Handelsvertreter in sich geschlossene Regelung, die der Regelung in § 5 Abs. 1 ArbGG für arbeitnehmerähnliche Personen vorgeht.
A.     Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Kläger berief sich in der Beschwerdeinstanz weder auf den Fortbestand des früheren Anstellungsvertrags noch darauf, entgegen der Absprachen im Handelsvertretervertrag nach den tatsächlichen Umständen als weisungsabhängiger Arbeitnehmer beschäftigt gewesen zu sein. Er machte lediglich noch geltend, im Vertragsverhältnis mit der Beklagten den Status einer arbeitnehmerähnlichen Person gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG gehabt zu haben.
Die Beklagte betreibt bundesweit Einzelhandelsgeschäfte für Lebensmittel. Nachdem der Kläger zunächst im Jahr 2005 als filialverantwortlicher Marktleiter angestellt worden war, hoben die Parteien einvernehmlich im Jahr 2010 diesen Arbeitsvertrag auf und schlossen gleichzeitig einen Handelsvertretervertrag nebst Zusatzverträgen (Untermietvertrag für die Geschäftsräume, Mietvertrag über Inventar), auf dessen Grundlage der Kläger die Filiale als selbstständiger „Marktinhaber“ führte.
Später erhob der Kläger Klage auf Zahlung der Differenz zwischen seiner vorherigen Vergütung als Arbeitnehmer und dem später erzielten Handelsvertretereinkommen. In diesem Rahmen waren auch die Frage der Arbeitnehmereigenschaft des Klägers und die damit zusammenhängende Frage des Rechtswegs zu klären.
Der Kläger vertrat die Ansicht, er sei auch nach Abschluss des Handelsvertretervertrages arbeitnehmerähnliche Person gewesen, da sich in seinem Arbeitsalltag gegenüber seiner angestellten Tätigkeit als Marktleiter nichts geändert habe. Hingegen war die Beklagte der Ansicht, zwischen den Parteien habe ein freies Handelsvertreterverhältnis bestanden.
Das ArbG Wiesbaden hat die Rechtswegzuständigkeit der Arbeitsgerichte für die vom Kläger eingereichte Zahlungsklage verneint und den Rechtsstreit an das LG Fulda verwiesen. Das LArbG Frankfurt hat die sofortige Beschwerde des Klägers als unbegründet zurückgewiesen.
In der Begründung stützte sich das Gericht im Wesentlichen darauf, dass § 5 Abs. 3 ArbGG der Anwendung des § 5 Abs. 1 ArbGG entgegenstehe, da § 5 Abs. 3 ArbGG für Handelsvertreter als lex specialis gegenüber den Grundsätzen zum Status der arbeitnehmerähnlichen Person in § 5 Abs. 1 ArbGG angesehen werde. Der Kläger erfülle zudem nicht die Voraussetzungen, um gemäß § 5 Abs. 3 ArbGG, § 92a HGB trotz seiner Stellung als Handelsvertreter als Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes angesehen werden zu können.
B.     Kontext der Entscheidung
Gemäß § 13 GVG ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten grundsätzlich dann eröffnet, wenn es sich um bürgerliche Streitigkeiten handelt. Hiervon abweichend bestimmt § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a ArbGG, dass bürgerliche Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern vor dem Arbeitsgericht auszutragen sind.
Handelsvertreter ist gemäß § 84 Abs. 1 HGB, wer als selbstständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer (Unternehmer) Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen.
Arbeitnehmer ist nach der ständigen Rechtsprechung des BAG derjenige Mitarbeiter, der seine Dienstleistung im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation erbringt (BAG, Urt. v. 03.07.1985 – 5 AZR 69/84 Rn. 26; BAG, Urt. v. 13.01.1983 – 5 AZR 149/82 Rn. 25). Insoweit enthält § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB ein typisches Abgrenzungsmerkmal. Nach dieser Bestimmung ist selbstständig, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Unselbstständig und deshalb persönlich abhängig ist also der Mitarbeiter, dem dies nicht möglich ist. Diese unmittelbar nur für die Abgrenzung des selbstständigen Handelsvertreters vom abhängig beschäftigten Handlungsgehilfen geltende Regelung enthält über diesen unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus eine allgemeine gesetzgeberische Wertung, die bei der Abgrenzung des Dienstvertrages vom Arbeitsvertrag zu beachten ist, zumal dies die einzige Norm ist, die Kriterien hierfür enthält (BAG, Urt. v. 13.01.1983 – 5 AZR 149/82 Rn. 25). Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation zeigt sich insbesondere darin, dass ein Arbeitnehmer hinsichtlich Zeit, Dauer und Ort der Ausführung der versprochenen Dienste einem umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Eine fachliche Weisungsgebundenheit tritt häufig hinzu; sie ist andererseits für Dienste höherer Art nicht immer typisch (BAG, Urt. v. 13.01.1983 – 5 AZR 149/82 Rn. 26).
Das Kriterium der Selbstständigkeit bildet daher das zentrale Merkmal für die Abgrenzung zwischen dem Handelsvertreter und dem Arbeitnehmer sowie anderen unselbstständigen Hilfspersonen, wie dem Handlungsgehilfen gemäß § 59 HGB.
Bei der für die Zuständigkeit der Zivil- bzw. der Arbeitsgerichte bedeutsamen Abgrenzung von selbstständigen Handelsvertretern (§ 81 Abs. 1 HGB) und Unselbstständigen i.S.v. § 84 Abs. 2 HGB, § 5 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 ArbGG bzw. Einfirmenvertretern (§ 92a Abs. 1 HGB) ist weder allein auf die von den Parteien vorgenommene Einordnung des Vertrags oder die dabei gewählte Bezeichnung noch isoliert auf die tatsächliche Durchführung des Vertrags, sondern auf das Gesamtbild der Verhältnisse unter Würdigung sowohl der Vertragsgestaltung als auch der tatsächlichen Handhabung des Vertrags abzustellen (BGH, Beschl. v. 04.03.1998 – VIII ZB 25/97 Rn. 5, 6; Bitz in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 4. Aufl. 2012, § 13 Rn. 14).
Selbstständigen Handelsvertretern bleibt der Weg zu den Arbeitsgerichten damit grundsätzlich versagt. Jedoch eröffnet § 5 Abs. 3 ArbGG i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a ArbGG, § 92a HGB eine arbeitsgerichtliche Sonderzuständigkeit für eine bestimmte Gruppe von Handelsvertretern.
Denn gemäß § 5 Abs. 3 ArbGG gelten Handelsvertreter dann als Arbeitnehmer im Sinne des ArbGG, wenn sie zu dem Personenkreis gehören, für den nach § 92a HGB die untere Grenze der vertraglichen Leistungen des Unternehmers festgesetzt werden kann, und wenn sie während der letzten sechs Monate des Vertragsverhältnisses, bei kürzerer Vertragsdauer während dieser, im Durchschnitt monatlich nicht mehr als 1 000 Euro aufgrund des Vertragsverhältnisses an Vergütung einschließlich Provision und Ersatz für im regelmäßigen Geschäftsbetrieb entstandene Aufwendungen bezogen haben.
Darüber hinaus kann sich ein Handelsvertreter nicht auf die arbeitsgerichtliche Rechtswegeröffnung des § 5 Abs. 1 ArbGG berufen. Denn, wie das LArbG Frankfurt vorliegend in Übereinstimmung mit dem LArbG Hamm (Beschl. v. 20.09.2004 – 2 Ta 644/03) herausstellt, steht der Anwendung des § 5 Abs. 1 ArbGG die Vorschrift des § 5 Abs. 3 ArbGG entgegen. Dieser sperrt als speziellere Regelung für Handelsvertreter die Anwendbarkeit des § 5 Abs. 1 ArbGG. Bereits 1961 hat das BAG zu Art. 3 Abs. 1 HdlVertrG, der Vorgängernorm des § 5 Abs. 3 ArbGG entschieden, dass diese Regelung als Spezialvorschrift der Anwendung des § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG entgegensteht (BAG, Urt. v. 15.07.1961 – 5 AZR 472/60 Leitsatz 3). Diese Auffassung wird vom BGH geteilt (BGH, Beschl. v. 25.10.2000 – VIII ZB 30/00 Rn. 13).
C.     Auswirkungen für die Praxis
Auch wenn die vorliegend dieser Entscheidung zentral zugrundeliegende Rechtsfrage seit den Sechzigerjahren geklärt scheint, beschäftigt noch heute die Abgrenzungsfrage die erst- und zweitinstanzlichen Gerichte. Um derartige Streitigkeiten zu vermeiden, empfiehlt es sich, möglichst eindeutige vertragliche Regelungen zu treffen. Dabei ist zu beachten, dass es für die Abgrenzung zwischen Arbeitnehmer und Handelsvertreter nicht allein auf die von den Parteien gewählten Bezeichnungen oder die vorgenommene Einordnung des Vertrags ankommt, sondern das Gesamtbild der Verhältnisse unter Berücksichtigung der tatsächlichen Durchführung maßgeblich ist.

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