Wir haben es gerade gehört: Tobias und sein Chef haben sich auf eine „mittlere Fahrlässigkeit““ geeinigt, beide teilen sich die Kosten. Ist das ein typischer Ausgang von so einem Konflikt?
Nein, das ist nicht der Regelfall bei der Arbeitnehmerhaftung. Wie der Schaden zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer verteilt wird und ob der Arbeitnehmer überhaupt am Schadensausgleich beteiligt wird, hängt von dem konkreten Einzelfall ab.
Gibt es denn nicht so etwas wie eine „Betriebshaftpflichtversicherung“, die immer zahlt?
Ja, es gibt die Möglichkeit, Schäden zu versichern, die durch Arbeitnehmer verursacht werden. Eine solche Versicherung ist aber keine Pflicht.
Besteht eine solche Betriebshaftpflichtversicherung in der Firma für die von einem Mitarbeiter verursachten Schäden, so ist der Mitarbeiter „fein raus“. Der Schaden wird von dem Versicherer übernommen.
Allerdings springt die Versicherung nur ein, wenn keine grobe Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers vorliegt und, wenn es sich um ein sog. versichertes Risiko handelt. Sie schützt also nur vor Schäden, für die der Arbeitnehmer nicht oder nur zum Teil haftbar gemacht werden kann und, für die er auch konkret versichert ist.
Es gibt für die Arbeitnehmerhaftung drei Fahrlässigkeitsstufen im Arbeitsrecht – was muss ich mir darunter vorstellen?
Es gibt die einfache Fahrlässigkeit, die mittlere Fahrlässigkeit und die grobe Fahrlässigkeit. Hierzu haben die Arbeitsgerichte unterschiedliche Haftungsbeiträge des Arbeitnehmers herausgearbeitet, d.h. je nach Grad der Fahrlässigkeit muss der Arbeitnehmer unterschiedlich viel bezahlen.
Art des Verschuldens |
Umfang der Haftung |
leichte Fahrlässigkeit |
keine Haftung |
mittlere Fahrlässigkeit |
Haftungsteilung (Anteil nach Maßgabe des Einzelfalls) |
grobe Fahrlässigkeit |
uneingeschränkte Haftung |
grobe Fahrlässigkeit bei deutlichem Missverhältnis |
Haftung bezogen auf ein normales Schadensrisiko |
Vorsatz |
uneingeschränkte Haftung |
Was sind denn typische Beispiele für „Leichte Fahrlässigkeit“ – wo ich als Arbeitnehmer also nicht hafte?.
Leicht Fahrlässigkeit liegt bei der Arbeitnehmerhaftung vor, wenn das jedem mal passieren kann. Das ist z.B. der Fall, wenn der Arbeitnehmer stolpert oder ausrutscht und dabei etwas kaputt macht. Oder, dem Arbeitnehmer rutscht etwas aus der Hand und es geht kaputt.
Eine Rolle spielen bei der Bewertung auch die Sicherheitsvorschriften eines Betriebs: Ein Mitarbeiter, der gegen bekannte Sicherheitsvorschriften verstößt und bspw. verbotenerweise mit privaten Mails einen Virus auf den Dienstrechner lädt und Schaden anrichtet, wird sich kaum mit leichter Fahrlässigkeit herausreden können.
Dann gibt’s die „Mittlere Fahrlässigkeit“ – wo sich AN und AG den Schaden teilen – haben wir im Film gesehen – ein weiteres Beispiel?
Einen Fall der mittleren Fahrlässigkeit nimmt man an, wenn ein AN die gebotene Sorgfalt nicht beachtet. Der Volksmund würde sagen „das kann jedem mal passieren“ (sollte aber nicht, wenn er sich etwas mehr angestrengt hätte).
Diese sog. „normale2 Fahrlässigkeit liegt dann vor, wenn ein Arbeitnehmer seine Sorgfaltspflicht bei der Arbeit nicht beachtet, aber ihm deswegen keine schwere Schuld angelastet werden kann. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn sich eine Kassiererin um mehr als einen Bagatellbetrag vertippt (z. B. 50 statt 500 EUR).
Hier wird abgewogen, ob der Schaden geteilt wird (Halbe-Halbe) oder ob man den Arbeitnehmer entlastet. Das hängt von einigen Kriterien ab, bspw. davon, wie gefährlich die Arbeit ist.
Und was wären typische Fälle für grob fahrlässiges Handeln – wo der AN normalerweise für den Schaden haftet?
Die grobe Fahrlässigkeit ist immer dann gegeben, wenn der Arbeitnehmer die erforderliche Sorgfalt besonders „krass“ missachtet. Er tut etwas, wo jeder sagt: „das darf einfach nicht passieren.
Beispiel: Ein LKW-Fahrer schreibt während der Fahrt eine SMS auf seinem Handy und übersieht dabei eine rote Ampel. Dadurch verursacht er einen Unfall. Oder, ein Arbeitnehmer verursacht unter Alkoholeinfluss einen Schaden am Arbeitsplatz.
In diesen Fällen muss der AN den Schaden selbst bezahlen. Eine Begrenzung findet nur in Einzelfällen statt, wo bspw. der Verdienst des Arbeitnehmers im Verhältnis zum Schaden und zum Risiko außer Verhältnis steht.
Und wie ist das mit „Vorsatz“?
Bei Vorsatz, also der absichtlichen Beschädigung durch den AN, ist immer klar, dann muss der Arbeitnehmer den Schaden immer und in voller Höhe tragen. Wer als absichtlich etwas kaputt macht, muss es auch bezahlen.
Bisher hatten wir ja Sachschäden als Beispiele – was ist aber, wenn durch meinen Fehler ein Arbeitskollege zu Schaden kommt?
Wird eine Kollege während der Arbeit durch einen anderen Kollegen fahrlässig verletzt, zahlt die gesetzliche Unfallversicherung. Dann haftete der Unfallverursacher nicht. Dafür tritt die gesetzliche Unfallversicherung ein.
Was sollte man beachten, wenn man als Arbeitnehmer einen Schaden verursacht?
Als Empfehlung gilt: Den Schaden immer unverzüglich dem Arbeitgeber melden. Dann kann man gemeinsam den Unfall rekonstruieren: Was ist genau passiert? Wie ist es passiert? Welche Umstände spielten dabei eine Rolle?
Das ist auch wichtig für eine Versicherung. Wird der Schaden nicht oder nicht rechtzeitig gemeldet, dann kann es zur Folge haben, dass sie nicht zahlt.
Außerdem: Sicherheitshalber Fotos machen und notfalls Zeugen hinzuziehen.
Wichtig: Für die Bemessung einer möglichen Schadenszahlung spielt auch das Gehalt eine Rolle: ein Auszubildender wird anderes zur Kasse gebeten als z.B. ein Geschäftsführer.
Und was sollte man tun, wenn es Streit gibt, man sich mit dem Chef nicht einigen kann?
Wenn es Streit gibt, muss der Chef dem Arbeitnehmer den Fehler beweisen.
Kann man sich mit ihm nicht z.B. über die Verteilung des Schadens einigen, sollte man sich an den Betriebsrat wenden oder einen Anwalt für Arbeitsrecht einschalten.
Kann ich einen Schaden am Arbeitsplatz meiner Privathaftpflicht melden?
Am Arbeitsplatz greift die private Haftpflichtversicherung meist nicht. Wer ein hohes Berufsrisiko hat, sollte daher über eine besondere Berufshaftpflichtversicherung nachdenken – sie schützt im Schadensfall vor hohen Schadensersatzzahlungen. Für manche Berufsgruppen ist sie sogar verpflichtend, bspw. bei Rechtsanwälten.