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Keine grobe Fahrlässigkeit: Arbeitnehmer wird per sog. Spoofing getäuscht und gibt Codes heraus

Ein Rechtsbeitrag von Rechtsanwalt und Fachanwalt Christoph J. Burgmer

Kassiererin gab trotz Untersagung Prepaid-Codes telefonisch weiter

Der Arbeitnehmerin wurde bei ihrer Einarbeitung als Kassiererin ausdrücklich verboten, die Codes von Prepaid-Telefonkarten telefonisch weiterzugeben. Drei Monate später wurde sie während der Arbeitszeit von zwei nacheinander anrufenden Betrügern über eine angebliche Systemumstellung im Betriebssystem der Tankstelle getäuscht. Sie gab 124 Codes von 30€-Prepaidkarten telefonisch heraus. Dadurch entstand ein Schaden in Höhe von 3.720€.
Diesen regulierte zunächst die Versicherung der Tankstellenbetreiberin. Hierdurch wurde die Versicherung aufgrund gesetzlicher Regelung Inhaberin der eventuell bestehenden Schadenersatzansprüche der Arbeitgeberin gegen die Arbeitnehmerin. Die Versicherung verlangte in der Folge Zahlung der Schadenssumme von der Arbeitnehmerin.
Die Versicherung klagte beim Arbeitsgericht Essen, welches die Klage abwies. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf bestätigte nun dieses Urteil als nächst höhere Instanz.

Vertragliche Ausschlussfristen entscheiden über das Maß der Arbeitnehmerhaftung

Diesem Urteil des Landesarbeitsgerichts liegen folgende rechtliche Gesichtspunkte zugrunde.
Grundsätzlich muss der Arbeitnehmer den Schaden ersetzen, der entsteht, weil er eine Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis verletzt (Mehr zum sog. innerbetrieblichen Schadensausgleich). Vorliegend wurde im Arbeitsvertrag eine zeitliche Begrenzung für diese Haftung vereinbart. Da die Versicherung erst nach dem Ablauf dieser Frist klagte, hatte die Arbeitnehmerin – wie sich aus dem Arbeitsvertrag ergab – nur noch grobe Fahrlässigkeit zu verantworten.
Das Landesarbeitsgericht musste also entscheiden, ob der Betrug so offensichtlich war, dass er durch einfachste Überlegungen hätte entlarvt werden können.

Keine grobe Fahrlässigkeit der Kassiererin

In diesem konkreten Fall kamen laut Landesarbeitsgericht mehrere Umstände zusammen, die gegen eine grobe Fahrlässigkeit der Kassiererin sprachen.
Zum einen kündigte der erste Anrufer den zweiten Anrufer als Mitarbeiter derjenigen Firma an, welche tatsächlich das Betriebssystem der Tankstelle betreute. Der zweite Anrufer behauptete eben dieser Mitarbeiter zu sein und gab die Anweisung zur Herausgabe der Prepaid-Codes. Dabei ließen beide professionell vorgehenden Betrüger zur Täuschung eine falsche Nummer auf dem Telefon erscheinen (sog. Spoofing) und versetzten die Kassiererin somit in eine authentisch wirkende Situation. Diese Umstände ließen das Landesarbeitsgericht eine ,,strukturelle‘‘, d.h. situative, Überlegenheit der Betrüger annehmen.
Zum anderen stellte das Betriebssystem der Kassiererin – anders als sonst – an diesem Abend nicht die Kontrollfrage, ob die Code-Eingabe verbotenerweise aufgrund einer telefonischen Anfrage erfolgte. Dies habe die Arbeitnehmerin gerade im Zusammenhang mit der vorgetäuschten Betriebssystemumstellung als Ausnahme von dem Verbot der telefonischen Code-Weitergabe verstehen dürfen.
Aufgrund dieser zentralen Gesichtspunkte sah das Landesarbeitsgericht den Betrug nicht als so offensichtlich an, dass er durch einfachste Überlegungen hätte entlarvt werden können. Folglich lehnte es die Annahme eines grob fahrlässigen Handelns der Kassiererin und somit auch einen Schadensersatzanspruch der Versicherung gegen diese ab.
Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 29.08.2017 – 14 Sa 334/17

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