Eine Pflichtverletzung begeht jeder, der sich anders verhält, als im arbeitsvertraglichen Schuldverhältnis vorgesehen. Der Begriff ist zunächst völlig wertungsneutral zu verstehen; erfasst werden die vorsätzliche Zerstörung von Firmencomputern ebenso wie das Beschädigen eines wichtigen Messgeräts, das man aufgrund eines unvorhergesehenen Ohnmachtsanfalls fallen lässt.
2. Ursächlicher Schaden
Die Folge der Pflichtverletzung muss dann ein Schaden des Arbeitgebers sein. Es muss also, grob gesagt, der Arbeitgeber nun schlechter stehen, als wenn das Schadensereignis nicht eingetreten wäre. Zudem muss ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden bestehen. Irrelevant ist dabei, wie wahrscheinlich der Schadenseintritt war.
3. Verschulden
Und schließlich muss der Arbeitnehmer sowohl die Pflichtverletzung, als auch den Schaden verschuldet haben. Ein solches Verschulden liegt nach dem Gesetz vor bei vorsätzlichem oder fahrlässigem Handeln (nicht also bei reinem Zufall). Eine vorsätzliche – also eine wissentliche und willentliche Schädigung – dürfte unter den Haftungsfällen wohl eher eine Ausnahme darstellen. Der Regelfall dürfte vielmehr fahrlässiges Handeln sein. Fahrlässig handelt, „wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.“ Es kommt also tatsächlich darauf an, welches Verhalten im alltäglichen Umgang als gewissenhaft, angemessen und üblich angesehen wird.
Man unterteilt die Fahrlässigkeit im Arbeitsrecht in verschiedene Grade, und zwar in grobe, mittlere und leichteste Fahrlässigkeit:
- „Grob fahrlässig“ handelt, wer absolut naheliegende Sorgfaltspflichten außer Acht lässt, die jedem anderen sofort ersichtlich gewesen wären. Es muss sich um einen derart erheblichen Verstoß gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt handeln, dass man geneigt wäre auszurufen „Wie kann man nur!“
Beispiel: A raucht in einem Raum mit brandgefährlichen Stoffen. Es kommt zum Großbrand.
- „Mittlere Fahrlässigkeit“ (auch: „einfache Fahrlässigkeit“) bedeutet demgegenüber das „schlichte“ Außerachtlassen der erforderlichen Sorgfaltspflichten.
Beispiel: A ist für wenige Minuten durch ein Telefonat abgelenkt und überwacht daher den Fertigungsvorgang für wenige Minuten nicht. Just in diesem Moment kommt es zu einem Steuerungsfehler und damit zu Schäden an einem Teil der Produktionsware.
- „Leichteste Fahrlässigkeit“ ist gegeben, wenn es sich nur um einen geringfügigen Sorgfaltsverstoß handelt – also um eine leichte Unachtsamkeit etwa, die man kommentieren könnte mit „Das kann doch mal passieren.“
Beispiel: A stolpert über eine kleine Welle im Teppich und lässt seinen Dienst-Laptop fallen.
Haftungsmilderung in der Arbeitnehmerhaftung
Es wäre jedoch unbillig und würde zu großen Risiken für Arbeitnehmer führen, wenn sie für jeden Schaden, den sie im Arbeitsalltag verursachen, vollumfänglich haften müssten: Denn Arbeitnehmer haben in der Regel keinen Einfluss auf die betriebliche Organisation und Ausgestaltung der Arbeitsumgebung; sie unterliegen den Weisungen ihres Arbeitgebers, bestimmte Aufgaben auf eine bestimmte Art und Weise zu verrichten. Vielfach haben Arbeitnehmer mit wertvollen Arbeitsmitteln – Produkten, Gerätschaften, Rohstoffen – zu tun, sodass ihnen erhebliche Haftungsrisiken drohen, wenn es zu Fehlern kommt. Da aber letztlich der Arbeitgeber die unternehmerische Verantwortung für seinen Betrieb trägt, soll der Arbeitnehmer nicht allein das Haftungsrisiko für Schäden tragen. Deshalb wird die Haftung des Arbeitnehmers in einigen Fällen gemildert.
Das Instrument für eine Haftungsmilderung gegenüber dem Arbeitnehmer ist § 254 BGB. Danach kann ein Mitverschulden eines anderen – insbesondere des Arbeitgebers – beim Umfang der Haftung berücksichtigt werden. Ein Mitverschulden führt zu einer „Haftungsverteilung“. Im Arbeitsrecht hat sich dabei folgende Gestaltung herausgebildet:
- Vorsatz des Arbeitnehmers
Bei Vorsatz haftet natürlich nur der Arbeitnehmer selbstHaftung des Arbeitnehmers: 100%
Haftung des Arbeitgebers: 0%
- Grobe Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers
Hier i.d.R. weit überwiegende Haftung des Arbeitnehmers – Einzelfallausnahmen möglich!
Es kommt insb. an auf: Gefährlichkeit der Tätigkeit, Höhe des Schadens, Vergütung und Position sowie Vorverhalten des ArbeitnehmersHaftung des Arbeitnehmers: 50-100%
Haftung des Arbeitgebers: 0-50%
- Mittlere Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers
Hier i.d.R. Haftungsteilung – Einzelfallausnahmen möglich!
Haftung des Arbeitnehmers: 0-50%
Haftung des Arbeitgebers: 50-100%
- Leichteste Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers
Hier i.d.R. Haftung des Arbeitgebers – Einzelfallausnahmen möglich!Haftung des Arbeitnehmers: 0%
Haftung des Arbeitgebers: 100%
Achtung: Eine arbeitsrechtliche Haftungsmilderung kommt nur bei solchen Schäden in Betracht, die auch in Zusammenhang mit einer betrieblich veranlassten Tätigkeit entstanden sind!
Wer muss das Verschulden beweisen?
Eine weitere, indirekte Haftungserleichterung für Arbeitnehmer findet sich im Bereich der Beweisführung: Im allgemeinen Zivilrechtsverkehr muss nämlich grundsätzlich derjenige, der Schadensersatz schuldet, beweisen, dass er seine Pflichtverletzung nicht zu verschulden hatte (§ 280 Absatz 1 BGB). Im Arbeitsrecht macht das Gesetz in § 619a BGB dazu eine Ausnahme: Hier ist es Aufgabe des Arbeitgebers, ein Verschulden des Arbeitnehmers darzulegen und zu beweisen. Gelingt dem Arbeitgeber dies nicht, kann er grundsätzlich keinen Schadensersatz verlangen.
Zum Thema Arbeitnehmerhaftung finden Sie hier einen TV-Beitrag mit Herrn Burgmer, Fachanwalt für Arbeitsrecht.