Das LArbG Hamm hat sich jüngst mit der Problematik beschäftigt, dass innerhalb der zweiwöchigen Anfechtungsfrist des § 19 Abs. 2 BetrVG zur Anfechtung einer Betriebsratswahl zwar ein Wahlanfechtungsantrag eingereicht wurde, dieser sich aber nicht konkret auf die dort angefochtene Wahl bezog, sondern ohne näheren Sachvortrag wortgleich Rügen aus einer bereits vorher angefochtenen Betriebsratswahl desselben Betriebs übernommen hatte.
Orientierungssatz zur Anmerkung
Die zweiwöchige Frist des § 19 Abs. 2 BetrVG zur Anfechtung einer Betriebsratswahl kann nur durch hinreichend substantiierten Sachvortrag in Hinblick auf die Fehlerhaftigkeit der Wahl gewahrt werden.
A. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Im Betrieb der Arbeitgeberin sind 38 Arbeitnehmer dauerhaft beschäftigt. Nachdem zwei Betriebsratsmitglieder zurückgetreten waren, fand am 26.04.2013 die Neuwahl eines Betriebsrats statt. Mit Schriftsatz vom 07.05.2013, beim Arbeitsgericht am Folgetag eingegangen, hat die Arbeitgeberin die Wahl angefochten. Sie stellte den Antrag, festzustellen, dass die Betriebsratswahl im Betrieb der Arbeitgeberin unwirksam sei.
Der Wahlanfechtungsantrag enthielt jedoch ausschließlich solche Punkte, die die Arbeitgeberin bereits in einem vom 09.03.2011 datierenden Schriftsatz an das ArbG Rheine zur Anfechtung der Betriebsratswahl vom 25.02.2011 vorgetragen hatte. Erst in späteren Schriftsätzen vom 16.07. und 16.09.2013, also längst nach Bekanntgabe des Ergebnisses der Betriebsratswahl und nach Ablauf der Anfechtungsfrist des § 19 Abs. 2 BetrVG, erhob die Arbeitgeberin weitere Rügen und beantragte die Einsichtnahme in die Wahlakten.
Das ArbG Rheine hat die Anträge mit Beschluss vom 02.10.2013 zurückgewiesen. Der Wahlanfechtungsantrag sei schon deshalb zurückzuweisen gewesen, weil die Arbeitgeberin nicht innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG spezifische, auf die konkrete Wahl bezogene Anfechtungsgründe vorgebracht habe. Hiergegen wandte sich die Arbeitgeberin mit der Beschwerde und beantragte, den Beschluss des ArbG Rheine für unwirksam zu erklären. Überdies beantragte sie, den Betriebsrat zu verpflichten, der Arbeitgeberin Einsicht in die Wahlakten zur Betriebsratswahl vom 26.04.2013 zu gewähren. Der Betriebsrat beantragte, unter Anknüpfung an sein erstinstanzliches Vorbringen, die Beschwerde zurückzuweisen.
Das LArbG Hamm führte aus, die zulässige Beschwerde der Arbeitgeberin sei in vollem Umfang unbegründet und wies die Anträge der Arbeitgeberin zurück. Nach zutreffender Rechtsprechung des BAG müsse der Antragsteller, der sich gegen die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl wende, bereits innerhalb der zweiwöchigen Anfechtungsfrist einen betriebsverfassungsrechtlich erheblichen Tatbestand unterbreiten, der seiner Ansicht nach das Begehren rechtfertige. Denn ließe man später ein erstmaliges Vorbringen konkreter Gründe zu, so würde dies im Ergebnis auf eine unzulässige Verlängerung der Wahlanfechtungsfrist für eine unübersehbare Zeit hinauslaufen. Der Wahlanfechtungsantrag der Arbeitgeberin vom 26.04.2013 werde der zuvor aufgestellten Anforderung nicht gerecht, weil er wörtlich mit einem Wahlanfechtungsantrag der Arbeitgeberin aus dem Jahr 2011 übereinstimme. Es sei somit offensichtlich zu Tage getreten, dass gegen die streitgegenständliche Betriebsratswahl lediglich abstrakte Einwände ohne Bezugnahme auf das konkrete Geschehen erhoben worden seien. Aufgrund des so eingetretenen Ablaufs der Wahlanfechtungsfrist sei es auch nicht mehr erforderlich, die Betriebsratswahl auf ihre Ordnungsgemäßheit zu überprüfen.
Hinsichtlich des Antrags auf Einsichtnahme in die Wahlunterlagen führte das LArbG Hamm aus, dass dieser schon deshalb zurückzuweisen gewesen sei, weil es sich um einen sog. „Globalantrag“ gehandelt habe. Dieser Globalantrag sei dadurch charakterisiert, dass er Konstellationen (mit-)umfasse, die das Begehren nicht rechtfertigten. Richtigerweise hätte die Arbeitgeberin beantragen müssen, Einsicht nur in solche Teile der Wahlakten zu erhalten, aus denen kein Rückschluss auf das Wahlverhalten einzelner Arbeitnehmer hätte gezogen werden können.
B. Kontext der Entscheidung
Die Frist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG ist eine Ausschlussfrist, nach deren Ablauf das Anfechtungsrecht erlischt, so dass von diesem Zeitpunkt an die Wahl unanfechtbar wird, auch wenn das Wahlverfahren an wesentlichen Mängeln gelitten hat (Fitting, BetrVG, 27. Aufl., § 19 Rn. 36). Das BAG hat hierzu bereits in einer frühen Entscheidung ausgeführt: Eine solche Anfechtung hat innerhalb der hierfür vorgesehenen Frist von zwei Wochen (§ 19 Abs. 2 BetrVG) zu erfolgen. Fehlt es an einer Anfechtung oder ist diese nicht fristgerecht erfolgt, so ist der in Verkennung des Betriebsbegriffes gewählte Betriebsrat für die Dauer seiner Amtszeit das rechtmäßig fungierende betriebsverfassungsrechtliche Vertretungsorgan (BAG, Urt. v. 26.10.1979 – 7 AZR 752/77 Rn. 21). Das LArbG Hamm ist also auf einer Linie mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung, wenn es ausführt, dass die Betriebsratswahl vom April 2013 nicht mehr auf ihre Ordnungsgemäßheit zu prüfen sei. Da es sich um eine Ausschlussfrist handelte, konnte sie nicht verlängert werden. Die letzte Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand schied ebenfalls aus, da es keine entsprechende Regelung im BetrVG gibt (Fitting, BetrVG, § 19 Rn. 36). Die Anträge in den Schriftsätzen vom 16.07. und 16.09.2013, die nicht identisch mit denen aus dem Jahr 2011 waren, wären also selbst dann, wenn sie unverschuldet verspätet gestellt worden wären, nicht geeignet gewesen, eine andere Entscheidung des Gerichts herbeizuführen.
C. Auswirkungen für die Praxis
Diese Entscheidung mahnt jeden zur Wahlanfechtung nach § 19 Abs. 2 BetrVG Berechtigten, die Anfechtung innerhalb der Zwei-Wochen-Frist mit substantiiertem Sachvortrag zu versehen. Eine redundante oder wenig substantiierte Wahlanfechtungserklärung ist nicht fristwahrend, etwa dergestalt, dass man zunächst einmal die Möglichkeit zur Anfechtung gewahrt hat und später eine Begründung „nachschiebt“. Das ArbG Rheine und auch das LArbG Hamm erteilen dieser Vorgehensweise eine klare Absage. Eine spätere Heilungsmöglichkeit gibt es wegen des Fehlens der Möglichkeit zur Einsetzung in den vorigen Stand nicht.
D. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung
Das LArbG Hamm greift die Rechtsprechung des BAG erneut auf, wenn es sich dazu äußert, dass der Antrag auf Einsicht in die Wahlakten aus der Betriebsratswahl vom April 2013 als „Globalantrag“ unbegründet ist. Aus § 19 WO ergibt sich zwar grundsätzlich ein Anspruch des Arbeitgebers auf Einsichtnahme in die vom Betriebsrat aufbewahrten Wahlakten der Betriebsratswahl, ohne dass es der Geltendmachung eines besonderen rechtlichen Interesses oder der Darlegung von Anhaltspunkten für das Bestehen von Anfechtungs- oder Nichtigkeitsgründen bedarf. Das, so das BAG (Beschl. v. 27.07.2005 – 7 ABR 54/04), gelte aber nicht für die Bestandteile der Wahlakten, die Aufschluss über das Wahlverhalten einzelner wahlberechtigter Arbeitnehmer geben können. Begehre der Arbeitgeber Einsichtnahme auch in diese Schriftstücke, müsse er Umstände darlegen, aus denen sich ergebe, dass die Kenntnis auch dieser Unterlagen zur Prüfung oder Ordnungsmäßigkeit der Wahl erforderlich sei.
Entsprechende Anträge sind vor diesem Hintergrund also sorgfältig zu formulieren, wenn der Antragsteller nicht Gefahr laufen will, dass sein Anliegen als unbegründet zurückgewiesen wird. Das ist umso prekärer, wenn er, wie im vorliegenden Fall, nicht wenigstens einen entsprechenden Hilfsantrag formuliert hat.