Betriebsänderungen haben oft nachteilige Auswirkungen auf alle oder einen Teil der Beschäftigten. Gibt es einen Betriebsrat im betroffenen Betrieb, so müssen daher laut Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) die geplanten Betriebsänderungen mit ihm beraten werden, wenn Nachteile für Arbeitnehmer drohen. Es kann dann ein sogenannter Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vereinbart werden, der das „Ob“, „Wann“ und „Wie“ der Umsetzung der Betriebsänderung regelt.
Es kann auch ein Sozialplan vereinbart werden. Dieser sieht Nachteilsausgleichungen für die Arbeitnehmer vor oder regelt Maßnahmen, die die Folgen der Betriebsänderung mildern. Beispiele hierfür sind etwa Ausgleichszahlungen, Abfindungszahlungen für diejenigen, die durch eine Betriebsänderung ihren Arbeitsplatz verlieren, oder Vorruhestandsregelungen. Aus einem Sozialplan können einzelne Arbeitnehmer somit ggf. auch unmittelbar eigene Ansprüche herleiten.
Besonderheiten bei Betriebsänderungen in der Insolvenz
Auch nachdem der Arbeitgeber Insolvenz angemeldet hat, kommen Betriebsänderungen in Betracht. So kann es sein, dass der Insolvenzverwalter im Rahmen des Insolvenzverfahrens umfangreiche strukturelle Änderungen, teilweise Schließungen von Betriebsteilen oder Kündigungen von Teilen der Belegschaft vornehmen muss. Denn das Insolvenzverfahren soll nach Möglichkeit noch zu einer Sanierung des Betriebes führen, und nur im Notfall zu seiner vollständigen Abwicklung. Der Insolvenzverwalter, der eine Betriebsänderung plant, muss seine Maßnahmen oft zügig umsetzen. Das „normale“ Verfahren nach § 112 BetrVG würde dann regelmäßig zu lange dauern. Daher sieht die Insolvenzordnung (InsO) in Hinblick auf Interessenausgleich und Sozialplan Sonderregelungen vor.
Zentral ist dabei § 122 InsO: Nach dieser Vorschrift kann der Insolvenzverwalter die Zustimmung eines Arbeitsgerichtes zur Durchführung einer Betriebsänderung beantragen (und damit gewissermaßen den Betriebsrat „umgehen“). Dazu muss er zuvor allerdings den Betriebsrat rechtzeitig und umfassend über die Betriebsänderung unterrichten. Kommt nach drei Wochen ab Verhandlungsbeginn oder drei Wochen nach schriftlicher Aufforderung zu Verhandlungen kein Interessenausgleich zustande, kann der Insolvenzverwalter sich an das Arbeitsgericht wenden. Dieses prüft, ob die Betriebsänderungen wegen der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens ohne das „normale“ Verfahren nach § 112 BetrVG umgesetzt werden müssen, und berücksichtigt dabei auch die „sozialen Belange der Arbeitnehmer“. Spricht die Abwägung für eine schnelle Umsetzung der Betriebsänderung, so erteilt das Arbeitsgericht dann seine Zustimmung. Der Insolvenzverwalter kann auf diese Weise Betriebsänderungen zügig umsetzen.
Der Interessenausgleich mit Namensliste
Eine Sonderform des Interessenausgleichs im Insolvenzverfahren ist der sogenannte Interessenausgleich mit Namensliste. Wie wir bereits in Teil 3 dieser Beitragsreihe gesehen haben, ist eine Kündigung im Insolvenzverfahren vereinfacht möglich; so verkürzen sich etwa die Kündigungsfristen und Unkündbarkeitsregelungen verlieren ihre Wirkung. Eine weitere Möglichkeit des Insolvenzverwalters, Kündigungen einer größeren Zahl von Arbeitnehmern zügig umzusetzen, ist diejenige, einen Interessenausgleich mit namentlich bezeichneten Arbeitnehmern, denen gekündigt werden soll, zu vereinbaren. Die Folge eines Interessenausgleichs mit Namensliste ist, dass die danach folgenden Kündigungen der benannten Arbeitnehmer nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar sind. Das Gesetz vermutet in solchen Fällen, dass die Kündigung betriebsbedingt erforderlich war (§ 125 InsO). Auch die Sozialauswahl dürfen Arbeitsgerichte dann nur noch auf grobe Fehler überprüfen
Das Schicksal von Sozialplänen aus der Zeit vor Insolvenz
Ältere Ansprüche aus Sozialplänen vor der Insolvenz werden zu Insolvenzforderungen, die entweder gar nicht oder nur zu einem geringen Teil ausgezahlt werden können. Sozialpläne, die in den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzantrag vereinbart wurden, können vom Insolvenzverwalter oder auch vom Betriebsrat widerrufen werden (§ 124 InsO), mit der Folge, dass Ansprüche aus ihnen erlöschen; Zahlungen, die Arbeitnehmer vor einem Widerruf schon erhalten haben, können jedoch nicht zurückgefordert werden. Für den Betriebsrat kann ein Widerruf eines Sozialplans nach § 124 InsO taktisch geschickt sein, denn Sozialpläne vor Insolvenz gewähren den Arbeitnehmern ohnehin nur noch Insolvenzforderungen, die wirtschaftlich meist wertlos sind. Demgegenüber sind Ansprüche aus Sozialplänen in der Insolvenz Masseverbindlichkeiten, die noch vor den Insolvenzforderungen erfüllt werden müssen und damit wirtschaftlich sicherer sind (weiteres dazu sogleich). Es kann also hilfreich sein, einen Sozialplan aus der Zeit kurz vor dem Insolvenzantrag zu widerrufen und dann zu versuchen, einen neuen Sozialplan auszuhandeln.
Sozialpläne in der Insolvenz
Soll in der Insolvenz ein Sozialplan aufgestellt werden, müssen Höchstgrenzen für den Umfang von Ansprüchen aus Sozialplänen berücksichtigt werden (§ 123 InsO); denn ein Sozialplan, der den Arbeitnehmern Zahlungsansprüche gewährt, schmälert die Insolvenzmasse. Daher stellt das Gesetz zwischen Ausgleichsansprüchen einerseits und Erhaltung der Insolvenzmasse andererseits her, indem es die Ansprüche aus einem Sozialplan begrenzt: Pro Arbeitnehmer können insgesamt höchstens 2,5 Monatsgehälter für Ausgleichszahlungen veranschlag werden, und zugleich dürfen alle Sozialplanforderungen insgesamt nicht mehr als ein Drittel der Insolvenzmasse in Anspruch nehmen. Die Zahlungsansprüche eines Arbeitnehmers aus einem Sozialplan nach Insolvenz sind, wie bereits angedeutet, Masseverbindlichkeiten, die wirtschaftlich gesehen werthaltiger sind als reine Insolvenzforderungen (die am Ende möglicherweise gar nicht mehr erfüllt werden können).