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Lohnforderungen bei Insolvenz des Arbeitgebers: Bestehen sie weiter?

Ein Rechtsbeitrag von Rechtsanwalt und Fachanwalt Christoph J. Burgmer

Lohnforderungen bei Insolvenz des Arbeitgebers: Bestehen sie weiter?

Was geschieht mit Lohnforderungen bei Insolvenz des Arbeitgebers? Teil II unserer Reihe zur Insolvenz.

Im letzten Beitrag finden Sie mehr zum grundlegenden Ablauf eines Insolvenzverfahrens.

Hat ein Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber noch offene Lohnforderungen, so ist zunächst zu unterscheiden, ob die Lohnforderungen aus der Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens stammen oder aus der Zeit danach.

Lohnforderungen bei Insolvenz, die vor Insolvenzeröffnung anfielen

Arbeitnehmer sollten – auch unabhängig von einem drohenden Insolvenzverfahren – in jedem Fall stets ihre Lohnabrechnungen und deren Übereinstimmung mit dem tatsächlich überwiesenen Lohn genau prüfen. Denn in nicht wenigen Arbeitsverträgen gibt es sogenannte Ausschlussfristen, die vorschreiben, dass Forderungen innerhalb eines bestimmten Zeitraums geltend gemacht werden müssen; andernfalls verfallen sie und können nicht mehr eingefordert werden. Arbeitnehmer sollten etwaige Zahlungsrückstände dokumentieren und den Arbeitgeber zeitnah schriftlich zur Zahlung auffordern.

Wird ein Insolvenzverfahren eröffnet, so werden die offenen Lohnforderungen, die vor der Eröffnung entstanden sind, zu Insolvenzforderungen. Sie müssen beim Insolvenzverwalter angemeldet werden (hier zahlt sich eine genaue Aufstellung über rückständigen Lohn ebenfalls aus). Der Insolvenzverwalter prüft die Lohnforderungen und nimmt sie in die Insolvenztabelle auf. Forderungen, die in der Insolvenztabelle enthalten sind, werden bei Beendigung des Insolvenzverfahrens erfüllt. Das heißt aber nicht, dass dann alle offenen Lohnforderungen bei Insolvenz in voller Höhe ausgezahlt werden. Die Erfüllung erfolgt anhand der Insolvenzquote. Dies ist das Verhältnis der vorhandenen Insolvenzmasse zu der Gesamtsumme aller Gläubigerforderungen. Wenn etwa alle Gläubigerforderungen zusammen 30 Mio. € wert sind, dem Insolvenzverwalter aber nur 1 Mio. € zur Verfügung stehen, so liegt die Insolvenzquote bei ca. 3%. Jeder Gläubiger bekommt dann also noch 3% seiner ursprünglichen Forderung.

Für Arbeitnehmer bedeutet dies, dass sie in der Regel wenig oder fast nichts von ihren offenen Lohnforderungen vor Insolvenzeröffnung erhalten werden.

Die Arbeitsagentur greift hier den Arbeitnehmern mit dem sogenannten Insolvenzgeld (§§ 165 ff. Sozialgesetzbuch III) unter die Arme. Das Insolvenzgeld wird für offene Lohnansprüche aus der Zeit von bis zu drei Monaten vor Insolvenzeröffnung oder Abweisung des Insolvenzverfahrens gezahlt. Es entspricht dem Nettolohn, zuzüglich etwaiger Sonderzahlungen. Aber auch hier ist rechtzeitig ein Antrag bei der Arbeitsagentur zu stellen – Arbeitnehmer haben nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zwei Monate Zeit. Zu den Formalien können die örtlichen Arbeitsagenturen weitere Auskünfte erteilen.

Lohnforderungen aus der Zeit nach der Insolvenzeröffnung

Arbeitsverhältnisse mit dem insolventen Arbeitgeber bestehen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erst einmal fort (§ 108 InsO). Damit fallen auch die Lohnforderungen bei Insolvenz weiterhin an und werden Teil der Verbindlichkeiten im Insolvenzverfahren. Allerdings sind die Lohnforderungen, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen, privilegiert; sie sind „Masseverbindlichkeiten“. Das bedeutet, dass sie vollumfänglich – und vor den Insolvenzforderungen – aus der Insolvenzmasse erfüllt werden müssen.

Wird ein Insolvenzverfahren eröffnet, können Arbeitnehmer somit davon ausgehen, dass grundsätzlich ausreichend Masse vorhanden ist, um die künftigen Lohnansprüche zu erfüllen (sonst wäre das Verfahren nicht eröffnet worden). Arbeitnehmer können auch den Insolvenzverwalter wie einen „normalen Arbeitgeber“ auf Zahlung verklagen und ihren Lohnanspruch sogar im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzen.

Ganz auf der sicheren Seite sind Arbeitnehmer damit jedoch nicht: Denn weiterhin droht die Gefahr, dass auch aus der sog. Masse die Lohansprüche nicht bezahlt werden können. Das ist ein Fall der sog. Massearmut oder Masseunzulänglichkeit. Dieser kann jederzeit vom Insolvenzverwalter erklärt werden und führt dann dazu, dass offene Lohnforderungen nur noch zu einem geringeren Teil erfüllt werden oder ganz ausfallen. Daher sollten Arbeitnehmer nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf pünktlicher Lohnzahlung bestehen und bei Rückständen ggf. die Arbeit niederlegen.

Rückforderung von bereits gezahltem Lohn durch den Insolvenzverwalter

Der Insolvenzverwalter darf unter bestimmten Voraussetzungen sogar bereits gezahlten Lohn wieder zurückfordern, indem er die Lohnzahlung anficht (§§ 129 ff. InsO). Dies droht vor allem dann, wenn Zahlungen noch kurz vor der Insolvenzeröffnung (innerhalb von drei Monaten vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens) erfolgt sind oder die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers bei Zahlung dem Arbeitnehmer bereits bekannt war oder feststand.

Es können sogar gerichtlich eingeklagte Lohnforderungen oder Lohnforderungen, wegen derer der Arbeitnehmer die Zwangsvollstreckung betrieben hat, zurückgefordert werden (§ 131 InsO), wenn die Zahlung innerhalb von drei bis einem Monat vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist (zu den Einzelheiten vgl. § 131 Absatz 1 InsO).

So gut wie ausgenommen von einer Insolvenzanfechtung sind nur solche Geschäfte, bei denen für die Zahlung des Arbeitgebers „unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung des Arbeitnehmers in sein Vermögen gelangt“ (§ 142 InsO). Das erfasst insbesondere den Fall, dass der Arbeitgeber rückständige Lohnzahlungen zeitnah begleicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der Begriff „unmittelbar“ dabei recht großzügig auszulegen – erfasst werden alle Lohnzahlungen, die innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit beglichen werden (BAG, Ur­teil vom 06.10.2011, 6 AZR 262/10).

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