burgmer arbeitsrecht

Zustimmung zu einer Versetzung trotz fehlender Gefährdungsbeurteilung

Ein Rechtsbeitrag von Rechtsanwalt und Fachanwalt Christoph J. Burgmer

Rechtsanwalt und Fachanwalt für arbeitsrecht Christoph J. Burgmer kommentiert einen Beschluss des LArbG München vom 06.12.2011, 6 TaBV 67/11, in juris PraxisReport - ArbR 42/2012

Materiell-rechtlich geht es um die Frage, welche Voraussetzungen an eine Zustimmungsverweigerung nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG gestellt sind. Ferner werden die Fragen behandelt, ob die Versetzung von § 3 Abs. 3 ArbStättV erfasst ist und ob der Zweck von § 3 Abs. 3 ArbStättV nur dadurch erreicht werden kann, dass die personelle Einzelmaßnahme in Gänze unterbleibt. Die Entscheidung befasst sich auch mit der Frage, ob das Fehlen einer Gefährdungsbeurteilung vor einer personellen Einzelmaßnahme den Betriebsrat dazu berechtigt, die Zustimmung zu der personellen Einzelmaßnahme zu verweigern.
Leitsatz:
Erfolglose Beschwerde gegen die Zustimmungsersetzung zur Versetzung eines Vorgesetzten. Der Betriebsrat hatte die Zustimmung wegen möglicher Nachteile anderer Arbeitnehmer und wegen der Überforderung des durch die Versetzung betroffenen Arbeitnehmers verweigert; zudem hatte er die nicht erfolgte Gefährdungsbeurteilung am neuen Arbeitsplatz als Zustimmungsverweigerungsgrund angesehen.
A. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Arbeitgeberin und der Betriebsrat führten ein Zustimmungsersetzungsverfahren über die Versetzung eines Mitarbeiters auf die Stelle Leiter „Program Management“. Bei der Stelle Leiter „Program Management“ handelt es sich um die fachliche und disziplinarische Leitung des gleichnamigen Fachbereichs. Der zu versetzende Mitarbeiter erfüllte die rein fachlichen Voraussetzungen.
Der Betriebsrat verweigerte, auch nach mehrmaliger Vorsprache der Arbeitgeberin, wiederholt die Zustimmung zu der Versetzung des Mitarbeiters, zuletzt am 10.01.2011, davor u.a. am 23.12.2010. Der Zustimmungsersetzungsantrag wurde am 13.11.2011 gestellt. Am 22.12.2010 hatte der Betriebsrat mit der Arbeitgeberin eine Betriebsvereinbarung über Arbeits- und Gesundheitsschutz abgeschlossen. In dieser war das Verfahren der Gefährdungsbeurteilung geregelt.
In den Zustimmungsverweigerungsschreiben (auch in dem vom 23.12.2010) wurde nicht auf den Verstoß gegen die Betriebsvereinbarung über Arbeits- und Gesundheitsschutz abgestellt, sondern hinsichtlich § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG nur auf § 3 Abs. 3 ArbStättV.
Der Betriebsrat vertritt die Ansicht, dass der zu versetzende Arbeitnehmer nicht zu Führungsaufgaben befähigt sei. So hätten einige Arbeitnehmer in seiner vorherigen Abteilung Aufhebungsverträge mit der Arbeitgeberin geschlossen, da innerhalb der Abteilung eine Mobbingsituation bestanden habe und auf die Belastungssituation der Mitarbeiter durch den Abteilungsleiter nicht eingegangen worden sei. Im Frühjahr 2011 war ein Mitarbeiter in ein Team der vorherigen Abteilung des zu versetzenden Arbeitnehmers gewechselt und sah sich dort immenser Schikanen durch den Teamleiter ausgesetzt. Der zu versetzende Abteilungsleiter zählte nicht dazu. Der schikanierte Mitarbeiter erlitt psychosomatische Erkrankungen, welche nach der Diagnose des behandelnden Arztes nur auf eine Mobbingsituation zurückzuführen seien. Durch die Versetzung sei der zu versetzende Abteilungsleiter selbst auch benachteiligt, da er aufgrund der fehlenden sozialen Qualifikation keine Führungsaufgaben tragen könne.
Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht entsprachen dem Zustimmungsersetzungsantrag der Arbeitgeberin. Hinsichtlich des Zustimmungsverweigerungsgrunds des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG i.V.m. § 3 Abs. 3 ArbStättV sei vorliegend eine Verweigerung der Zustimmung nicht möglich. Die Versetzung sei an sich nicht schon von § 3 Abs. 3 ArbStättV erfasst. Diese Regelung sehe lediglich die Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung durch den Arbeitgeber und deren Dokumentation vor Aufnahme der Tätigkeiten vor. Auch könne der Zweck der Norm (§ 3 Abs. 3 ArbStättV) nicht nur dadurch erreicht werden, dass die Maßnahme insgesamt unterbliebe. Zum einen könnte der Arbeitnehmer individualrechtlich nach § 5 Abs. 1 ArbSchG i.V.m. § 618 Abs. 1 BGB die Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung verlangen (BAG, Urt. v. 12.08.2008 – 9 AZR 1117/06 Rn. 27). Zudem hätte der Betriebsrat die Einhaltung der Betriebsvereinbarung Arbeits- und Gesundheitsschutz vom 22.12.2010 geltend machen können, welche gerade das Verfahren der Gefährdungsbeurteilungen regelt.
B. Kontext der Entscheidung

Nach dem LArbG München kann die Zustimmungsverweigerung – zumindest im vorliegenden Falle – bei fehlender vorangegangener Gefährdungsbeurteilung nicht auf § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG i.V.m. § 3 Abs. 3 ArbStättV gestützt werden. Insbesondere aufgrund der einen Tag vor der maßgeblichen Zustimmungsverweigerung am 23.12.2010 abgeschlossenen Betriebsvereinbarung hätte der Betriebsrat die Zustimmung nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG verweigern können. Ein zulässiges rechtliches Bedürfnis, die Zustimmung über § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG i.V.m. § 3 Abs. 3 ArbStättV zu verweigern, bestand nicht.
Fraglich ist nur, ob diese Argumentation auch durchgehalten werden kann, wenn der Sachverhalt anders wäre, z.B. wenn eine Betriebsvereinbarung wie die Betriebsvereinbarung Arbeitsund Gesundheitsschutz nicht vorläge.
C. Auswirkungen für die Praxis

Gefährdungsbeurteilungen sind ein wichtiges Instrument. Vergleichbar einem „Stress-Test“ können sie mögliche potentielle Gefahren und Probleme bereits im Vorfeld aufzeigen. Hierdurch können für den Mitarbeiter, seine Kollegen und auch für den Betrieb selbst Belastungen vermieden werden. Gerade die Besetzung von Führungspositionen bietet sich hierfür an, da eine Fehlbesetzung auf dieser Ebene schwerwiegende Auswirkungen haben kann.
Das BAG hat der Nichtzulassungsbeschwerde des Betriebsrats entsprochen. Das Verfahren ist unter dem Aktenzeichen 7 ABR 48/12 vor dem BAG anhängig. Die abschließende Beurteilung dieser Rechtsfragen obliegt folglich dem BAG.
Aus diesem Grunde erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass das BAG zumindest im Rahmen eines obiter dictum die Ansicht vertreten wird, dass im Falle des Fehlens einer Betriebsvereinbarung wie der Betriebsvereinbarung Arbeits- und Gesundheitsschutz oder einer Regelung vergleichbaren Inhalts die Verweigerung der Zustimmung möglich wäre.
D. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung

Das LArbG München stellt im Weiteren fest, dass die Zustimmungsverweigerung nicht auf Gründe gestützt werden kann, die mehr als eine Woche nach der Unterrichtung des Betriebsrats eingetreten sind. Ebenso ist das Nachschieben von Zustimmungsverweigerungsgründen nach Ablauf der Wochenfrist unzulässig.
Ferner erläutert das LArbG München auch, dass eine Zustimmungsverweigerung auch eines entsprechenden Tatsachenvortrag bedürfe. Formelhafte und nicht dem Einzelfall angepasste Begründungen reichen nicht aus. Einzig die Bezugnahme auf Konfliktfälle und -situationen, welche aus Sicht des Betriebsrats Zweifel an der Führungskompetenz entstehen ließen, genügen nicht. Vielmehr bedarf es des konkreten Vortrages, hinsichtlich welcher Art die jeweiligen Konfliktfälle waren und woraus sich diese ergeben hatten, um so die Wertung des Betriebsrats nachvollziehbar zu machen. Folglich hätte in diesem Zusammenhang auch noch das Versagen des zu Versetzenden sowie sein Verursachungsanteil an der späteren Eskalation aufgezeigt werden müssen.
Die Zustimmungsverweigerung nach § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG ist nach Auffassung des LArbG München dann nicht möglich, wenn der Arbeitnehmer die Maßnahme selbst wünscht. Bei Übereinstimmung der Interessen des Arbeitgebers und des betroffenen Arbeitnehmers läuft der Schutzzweck des § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG leer, da der betroffene Arbeitnehmer nicht gegen seinen Willen geschützt zu werden braucht. Ein solcher Fall liegt dann vor, wenn der Arbeitnehmer sich frei für die streitige personelle Maßnahme entschieden hat, weil sie seinen Vorstellungen und Bedürfnissen entspricht (BAG, Beschl. v. 02.04.1996 – 1 ABR 39/95 Rn. 19).
Dem Argument der Dringlichkeit der vorläufigen Versetzung und somit der vorläufigen Durchführung der personellen Einzelmaßnahme kann der Betriebsrat nicht entgegenhalten, dass die Arbeitgeberin die Eilbedürftigkeit selbst verursacht habe, wenn zuvor mehrfach versucht worden ist, den Betriebsrat durch sachliche Argumente umzustimmen.

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