Der Kläger war seit fast 40 Jahren bei der beklagten Arbeitgeberin als Stanzer beschäftigt. Im Jahr 2013 gründeten seine Söhne eine eigene Firma, die M-GmbH, die in unmittelbarem Konkurrenzverhältnis zu dem Betrieb der Beklagten stand. Die Beklagte wies den Kläger daher auch ausdrücklich darauf hin, dass es ihm verboten sei, parallel für die M-GmbH tätig zu werden.
Im Jahr 2014 war der Kläger mehrfach arbeitsunfähig krangeschrieben. Bereits zu diesem Zeitpunkt bestanden für die Beklagte erste Anhaltspunkte, dass der Kläger seine Arbeitsunfähigkeit nur vortäuschte und die Entgeltfortzahlung in Anspruch nahm, während er zeitgleich für die M-GmbH tätig war. Ab Januar 2015 schließlich war dem Kläger dauerhaft Arbeitsunfähigkeit attestiert. Bis März 2015 leistete die Beklagte Entgeltfortzahlung.
Im Mai 2015 erfuhr die Beklagte von einer E-Mail an M-GmbH. Darin hieß es unter anderem, man verkaufe als Familienunternehmen günstig Stanzformen, der Kläger montiere seit 38 Jahren, es sei unglaublich, was er alles hinbekomme. Der Kläger verweigerte dazu jede Stellungnahme.
In der Folgezeit setzte die Beklagte einen Detektiv ein, der auf dem Gelände der M-GmbH den Kläger bei Tätigkeiten beobachtete, die denen bei der Beklagten entsprachen. Im Juni 2015 kündigte daher die Beklagte dem Kläger außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich.
Der Kläger hielt beide Kündigungen für unwirksam und ging arbeitsgerichtlich dagegen vor. Das Arbeitsgericht wies seine Kündigungsschutzklage ab, da es bereits die außerordentliche Kündigung für wirksam hielt. Das Landesarbeitsgericht (LAG) dagegen hielt die Kündigungen für unwirksam. Auf die Revision der Beklagten hob das BAG die Entscheidung des LAG teilweise auf.
Kernproblem: Verwertbarkeit der Beobachtungen eines vom Arbeitgeber eingesetzten Detektivs im Prozess
In diesem Fall ging es im Kern letztlich um die Frage, ob die Beobachtungen des Detektivs, den die Beklagte hier auf den Kläger angesetzt hatte, im Prozess verwertet werden dürfen oder nicht. Denn nur dann bestünde für die Beklagte die Möglichkeit, den für eine außerordentliche Kündigung erforderlichen „wichtigen Grund“ zu belegen.
Für eine außerordentliche Kündigung muss nach § 626 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ein wichtiger Grund vorliegen, der es dem Arbeitgeber unzumutbar macht, den Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen.
Das BAG stellte zunächst klar, dass grundsätzlich als wichtige Gründe sowohl eine verbotene Konkurrenztätigkeit, als auch das Erschleichen einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Betracht kommen können. Beides stelle eine erhebliche Pflichtverletzung gegenüber dem Arbeitgeber dar (§ 241 Abs. 2 BGB). Werde die Arbeitsunfähigkeit vorgetäuscht und dann Entgeltfortzahlung in Anspruch genommen, liege sogar eine Straftat vor (nämlich Betrug). Nicht erforderlich sei, dass entsprechende Pflichtverletzungen oder Straftaten nachgewiesen seien; es könne grundsätzlich auch ein dringender, konkreter Verdacht für die Rechtfertigung einer Kündigung genügen.
Es kam somit auf die Frage an, ob die Beklagte dem Kläger jedenfalls einen dringenden, konkreten Verdacht der Konkurrenztätigkeit und des Vortäuschens von Arbeitsunfähigkeit anlasten konnte. Da die Beklagte sich auf die Beobachtungen des Detektivs berief, hatte das BAG zu prüfen, ob das Gericht diese Beobachtungen überhaupt verwerten durfte.
Dies richtet sich insbesondere nach den Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG). Maßgeblich war hier § 32 Abs. 1 BDSG, in dem es heißt:
„1Personenbezogene Daten eines Beschäftigten dürfen für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist.
2Zur Aufdeckung von Straftaten dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten nur dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Betroffene im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung zur Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten an dem Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind.“
Die Argumentation des Landesarbeitsgerichts: § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG sperrt!
Das LAG hatte wie folgt argumentiert: Satz 1 erfasse nur Maßnahmen, die nicht auf die Entdeckung eines konkret einer Straftat Verdächtigen gerichtet seien; denn dies regele ja bereits Satz 2, der insofern einen Spezialfall normiere. Wegen eines Verdachts dürften, so das LAG, nur dann Daten erhoben werden, wenn sich der Verdacht auf eine Straftat beziehe. Wenn der Verdacht sich nicht auf eine Straftat beziehe, sei Satz 2 nicht einschlägig und Satz 1 gesperrt. Da aber der Kläger zum Zeitpunkt der Überwachung durch den Detektiv keine Entgeltfortzahlung mehr bezogen habe, habe im Juni 2015 objektiv kein Verdacht bzgl. eines strafbaren Betruges mehr bestanden. Das LAG wies in der Konsequenz die Klage ab, weil es die Beobachtungen des Detektivs nach § 32 BDSG für nicht anwendbar hielt.
BAG: Keine Sperrwirkung von § 32 Abs. 1 S. 2 gegenüber S. 1 BDSG
Dem trat das BAG entgegen. § 32 Abs. 1 Satz 1 sei entgegen der Auffassung des LAG anwendbar, denn eine zwischen Satz 1 und Satz 2 vom LAG angenommene Sperrwirkung existiere nicht. Eine solche Sperrwirkung, so der Senat, sei weder aus dem Wortlaut, noch aus dem Willen des Gesetzgebers abzulesen. Satz 1 sei zwar allgemeiner formuliert und setze keinen Straftatverdacht voraus. Allerdings sei daraus nicht abzuleiten, dass Datenerhebungen bei einem Verdacht einer erheblichen Pflichtverletzung generell unzulässig seien:
Zur in Satz 1 genannten „Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses“ zähle auch die Kündigungsvorbereitung. Der Arbeitgeber dürfe unter den Voraussetzungen von § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG diejenigen Daten erheben und nutzen, die er benötigte, um in einem Kündigungsschutzprozess seiner Darlegungs- und Beweislast nachkommen zu können. Die Datennutzung sei auch bei dem Verdacht einer schweren Pflichtverletzung, die keine Straftat darstelle, zulässig, wenn erstens weniger einschneidende Maßnahmen nicht möglich oder erschöpft seien und zweitens die Datenerhebung verhältnismäßig sei.
Überwachung von Arbeitnehmern erfordert Abwägung von Arbeitgeberinteressen und dem Persönlichkeitsrecht
Dabei seien im Rahmen der Verhältnismäßigkeit das verfassungsrechtlich verankerte allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers mit dem Interesse des Arbeitgebers an der Datenerhebung abzuwägen. An das berechtigte Interesse des Arbeitgebers seien hohe Anforderungen zu stellen. Verdeckte Ermittlungen „ins Blaue hinein“ (also ohne konkrete, dringende Verdachtsmomente), so stellt der Senat klar, seien nach wie vor unzulässig.
Im Ergebnis klärt das BAG das Verhältnis von § 32 Abs. 1 S. 1 und 2 BDSG: Satz 2 ist zwar die speziellere Regelung, die jedoch einen Rückgriff auf Satz 1 nicht versperrt. Damit ist eine Datenerhebung durch die Überwachung von Arbeitnehmern, z.B. mittels Detektiv, auch dann möglich, wenn sich ein Verdacht nicht auf eine Straftat, sondern „nur“ auf eine erhebliche Pflichtverletzung bezieht.
Da das LAG somit bei seiner Entscheidung die Beobachtungen des Detektivs fälschlicherweise nicht einbezogen hatte, verwies das BAG die Sache an das LAG zur erneuten Entscheidung über die Verhältnismäßigkeit des Detektiveinsatzes zurück. Es bleibt damit die Entscheidung des LAG abzuwarten; dass das LAG dem BAG folgen und die Überwachung von Arbeitnehmern in diesem Fall nunmehr wohl für zulässig halten wird, ist allerdings recht wahrscheinlich.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29.6.2017, 2 AZR 597/16.